Erste Woche: 30. Juni – 5. Juli 1998
Route: Bern (CH) – Konstanz (D) – München – Prag (CZ)
Mit klopfendem Herzen, die Fahrt ins Ungewisse sollte in fünf Stunden beginnen, trafen sich am 30. Juni Piloten und Pilotinnen der TWIKE im TWIKE Zentrum Bern an der Mattenenge zu einem Arbeits-Apéro, bei dem die Arbeit der Fahrzeugkontrolle, Materialausgabe und des Briefings im Vordergrund stand. Theoretisch lernten wir die Konvoifahrweise, welche dann – es war schliesslich die Hauptprobe – bei der Dislokation kurz vor dreiundzwanzig Uhr voll daneben ging, verloren sich doch die TWIKE trotz flaustem Verkehr bereits nach der ersten Kreuzung aus den Augen und kamen zur Startaufstellung in zwei Konvois vors Bundeshaus in Bern. Dort ein Gehen und Kommen, Verwandte und Medien, Neugierige und Passanten. Sie staunen. Blicken gebannt auf die futuristischen Fahrzeuge. „10’000 km, die schaffen das nie!“ lautet ein Kommentar. Auch mich beschleichen Zweifel in dieser stockdunklen Nacht. 60% Chancen gebe ich uns um Mitternacht. 90% waren es noch beim Frühstück. Was so eine Nacht alles ausmacht…!
Endlich der Startschuss. Abgefeuert mit oscarerprobter Dramatik von H. R. Giger, dem Décorerschaffer des Films Aliens. Und los gehts. In Richtung Langnau. Durch die Nacht. Allein im Fahrzeug fallen mir fast die Augen zu. Gut, dass ich kräftig pedalen kann. Das regt den Kreislauf an. Und hält wach. Statt auf Parkplätzen Füsse zu vertreten!
In Langnau erstes Laden der Batterien. Kabel werden vor dem Schlafengehen gelegt. Stecker gesteckt. Eine Zeremonie die wir bald täglich mehrmals wie ein traditioneller Reigen zu pflegen haben werden. Dann kurzer Schlaf. Tagwacht vor sechs. Reichliches, gastfreundliches Frühstück. Bringt uns die erste Verspätung von 30 Minuten. Bis Luzern sind es bereits 60 Minuten. Im Verkehrshaus unter einer DC3 laden wir. Bemerkung eines Museumsbesuchers: „Wann wurden denn solch verrückte Fahrzeuge gebaut?“ Weiterfahrt nach Birmensdorf bei Zürich. Beim Laden brennen die Sicherungen durch. O je, eine weitere Stunde verloren. Wir fahren durch den dichten Zürcher Stadtverkehr. Nehmen eine Abkürzung, die uns einen Stau von 30 Minuten einfährt. Im Werkhof Töss in Winterthur nerven sich derweil Journalisten. „Wie kann man nur so unpünktlich sein…!“
Aber eben, Expeditionen haben ihre eigenen Regeln. Minutenplanung liegt einfach nicht drin. Schon eher Halbtagesankündigungen. Zum Trost dürfen Medienschaffende selber fahren. Begeistert verlassen sie das TWIKE. Wil der nächste Halt. Die Stadt empfängt uns mit Speis und Trank. Wir erklären TWIKE und CHALLENGE. Weiterfahrt nach Konstanz. Schweiss. Die Sonne brennt. Am Zoll keine Kontrolle. Trotz Schengen. Auch hier Empfang durch die Stadt. Lokalradio und Medien bestürmen uns. Hunger meldet sich. Wir finden nach Medienprobefahrten ein türkisches Lokal.
Um 20:30 fährt die Fähre nach Meersburg. Um 20:05 lässt das Essen noch immer auf sich warten. Späteste Abfahrtszeit 20:15. Fünf Minuten zum Essen doch etwas knapp. Wir lassen 3/4 stehen. Gut für die Linie. Und dann rasende Fahrt durch Konstanz. Erreichen Fähre um 20:29! Kühle Überfahrt. Die Nacht bricht herein. Eine gesperrte Strasse behindert uns. Mit letztem Tropfen Energie treffen wir um 23:30 in Ravensburg ein. Kurze Nacht. Um 07:00 Abfahrt. Isny und Kempten unsere nächsten Halte. Werden von Oberbürgermeistern begrüsst. Schulklassen bestaunen unser Gefährt und weiter geht es über Starnberg nach München, wo wir trotz dichtestem Verkehr auf die Minute um 20:00 eintreffen. Der Schweizer Verein bereitet uns eine begeisterte und beklatschte Etappenankunft. Wir bedanken uns mit Probefahrten für alle. Bayrische Brotzeit erst um 22:30. Start um 8:00 morgens.
In der Nähe von Landshut in einem kleinen solarstrombegeisterten Dorf lädt uns der Bürgermeister und seine Gemahlin mit Fachhochschülern zu einem selbst gemachten Bauernbuffet. Als Beifahrer leiste ich mir im TWIKE einen Mittagsschlaf auf dem Weg nach Regensburg. Dort auf dem Marktplatz aufgestellt werden wir zur Attraktion. Die Prinzessin von Sachsen-Coburg – an einem Ärztekongress in Regensburg – wünscht eine Probefahrt. Sie ist begeistert. Mit schlotternden Knien entsteige ich dem TWIKE. Blaues Blut habe ich noch nie gefahren…! Dann Steigung um Steigung in Richtung Cham, der Schwesternstadt von Cham im Kanton Zug. Die Stadtverwaltung offeriert eine ausgedehnte Brotzeit. Leberkäs mit Ei und Pommes bringen Lebensgeister zurück. Beifahrer halten sich ans Bier. Mir reicht es nur zur Apfelschorle.
Dann Fahrt nach Neukirch bei Heiligenblut direkt an der tschechischen Grenze. Riesenhotel und Gastfreundschaft wie sie im Buche steht. Kurzer Schlaf nach Bierschwemme. Auf zur tschechischen Grenze! Dort keine Fragen nach Papieren. Einzig technische Auskünfte nach unserem Gefährt. Die Tschechen sind von der neuen Technologie begeistert. In jedem Dorf laufen die Menschen zusammen, Autofahrer winken, Bravorufe von Fussgängern. Auf dem Domplatz von Pilsen, angefeuert von den Passanten, vollführen wir das erste TWIKE Ballett der Weltgeschichte, fahren weiter bis nach Prag, dessen Einwohner und Touristen wir im Sturm erobern. Der Schweizer Botschafter Fetscherin erwartet uns. Medien befragen uns. Dann böhmische Küche, die wir trotz Schwere bestens verkraften. Ist ja logisch. Hunderttausend Pedaldrehungen liegen bestimmt schon hinter uns. Ausschlafen dann. Welche Wohltat nach den kurzen Nächten.
Am Sonntag Parade durch Prag. Organisiert durch Blesk, dem tschechischen Ringier-Blick. Über die Burg und die Karlsbrücke in die Prager Altstadt. Bestaunt. Ich als Botschafter-Fahrer. An meinem TWIKE der Ständer mit der Schweizer Fahne. Standesgemäss und umweltschonend. Fahrzeuge für den nächsten Staatsempfang? Für Aufsehen würden sie wohl sorgen! Nach Kaffeehausbesuchen wiederum kurze Nacht und auf zur polnischen Grenze, wo wir erstmals in unseren Zelten übernachten werden!
Fazit nach der ersten Woche: Wir haben eine neue Art des Reisens entdeckt! Eineinhalb Stunden fahren, eineinhalb Stunden Aufenthalt macht die Fahrt statt Stress zum echten Reisespass, bei dem man Land und Leute wie früher beim Pferdewechsel in der Postkutschenzeit wieder kennenlernt. Mehr in einer Woche!
Ihr François Loeb
P.S. Die Zuversicht dass wir es schaffen steigt und steigt…. drückt uns die Daumen!
Zweite Woche: 6. – 12. Juli 1998
Route: Prag (CZ) – Warschau (PL) – Vilnius (LIT)
Wir überqueren nach langem in die Waden gehenden Anstieg auf über 1’000 m Höhe die polnische Grenze ohne Probleme, um dann wieder in kurvigem Gelände ins Tal zu fahren. Und da passiert das Missgeschick. Ein TWIKE touchiert bei mässiger Geschwindigkeit eine Strassenböschung und kommt nach einer Drehung beschädigt zum Stillstand. Mit leichten Prellungen – das TWIKE ist ein Gefährt mit hohem Sicherheitsstandard – entsteigen die Insassen dem Fahrzeug. Das siebte TWIKE ist nicht mehr fahrbar und muss nach Papier- und Formularmarathon in einem gemieteten Ford Transit in die Schweiz zurückgebracht werden. Ankunft im Hotel um 24.00, Nachtessen ein Bier und Pommes Chips, das einzig noch auftreibbare. Abfahrt morgens um 7.30 Uhr. Ellenlange Berg- und Talfahrt, nach Brückensuche in Breslau (die Überschwemmung 97 hat Nachwirkungen), bis Kalice, Ankunft 01.30. Abfahrt 06.30!
Die Gruppe ist guten Mutes, die Bevölkerung hilft wo sie kann. Gastfreundschaft, wie sie im Buche steht. Ankunft in Warschau 21.30. Die TWIKE sind auf dem Botschaftsgebäude sicher untergebracht. Am folgenden Tag Pressekonferenz im Hotel. 3 Fernsehstationen und viele Pressevertreter lassen sich von Schweizer High Tech begeistern. Am Abend Empfang bei Botschafter Quinche. Unsere CHALLENGE 98 steht im Mittelpunkt. Nach genossenem Ruhetag weiter Richtung litauische Grenze. Übernachtung in Lomza. Bauern haben uns unterwegs beim Aufladen der Batterien ganze Mahlzeiten serviert und wünschen sich dafür eine Postkarte vom Nordkap! Am Strassenrand wird gewunken, Licht- und andere Hupen auf Gegenfahrbahn und Überholspur betätigt. Wir sind hier wohl bekannter als in der Schweiz!
Grenzübertritt nach Litauen. Wir kommen spielend durch. Das TWIKE der deutschen Techniker bleibt stecken. Es fehlt das gültige Visum. Schweizer brauchen ein solches seit April nicht mehr. Kein Visum mehr erhältlich. Wir müssen die Techniker zurücklassen, da die Nacht einbricht und es in Strömen giesst. Am anderen Morgen Telefonate mit der Konsularabteilung des litauischen Aussenministeriums. Visas werden jetzt erteilt. Am Abend in Vilnius – einer Stadt die durch Architektur vor allem der Innenhöfe und mit ihrer seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Universität besticht – sind alle Küken wieder zusammen und das TWIKE Team geniesst den Ruhetag mit Medienkonferenz und Presse-Probefahrten. Am Dienstag um 06.00 gestärkt an den Start nach Lettland. 250 km bis Bauska (Lettland) werden wir die herrliche litauische Landschaft geniessen! Bis nächste Woche!
TWIKE Challenge 98
François Loeb
Dritte Woche: 13. – 19. Juli 1998
Route: Vilnius (LIT) – Riga (LET) – Tallinn (EE) – Narva-Jõesuu
Ufos! Ufos! So der Ruf einer Grossmutter, als wir zum Aufladen in einem Bauernhof einfahren. Mit unseren futuristischen Fahrzeugen erregen wir in den mitteleuropäischen Ländern einiges Aufsehen. Sobald wir in einem kleinen Dorf halten, kommen viele Menschen und ganze Scharen von Kindern, welche ins Fahrzeug sitzen wollen. In Lettland fahren wir über teilweise unasphaltierte Nebenstrassen, durch unberührte Landschaften, selten kreuzen wir andere Fahrzeuge. Die Menschen sind von einer wunderbaren Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Wir werden bewirtet, Kaffee wird gekocht, Tee serviert, Süssigkeiten aufgetischt, die wir nach anstrengender Fahrt – wir pedalen teilweise 100 km Etappen, obwohl die Reichweite unserer TWIKE 80 km beträgt – mit Heisshunger vertilgen. Übernachtung in Bauska. Altes Sowjethotel mit entsprechendem Service.
Am Stadtrand von Riga werden wir von einer Polizei-Eskorte mit drei Fahrzeugen erwartet. Wir fahren wie Staatsgäste mit Blaulicht im Konvoi zum Bürgermeisteramt. Der Bürgermeister begrüsst uns mit seinem Stab vor dem Rathaus und lässt es sich nicht nehmen, vor laufenden Kameras der drei Fernsehstationen selbst ein TWIKE zu lenken! Blitzlichtgewitter, Interviews mit anschliessender Pressekonferenz im Hotel. Abends Empfang in der Residenz des Schweizer Botschafters, politische und technische Gespräche mit lokalen Vertretern. In der Nacht ist es bereits bis 23.00 hell. Altstadtrundgang in dieser wunderbaren Hansestadt. Als kleine Aufmerksamkeit der Hotelleitung schlafen wir in vorzüglichen Deluxe-Zimmern, statt in den gebuchten einfachen Lagern. Am nächsten Morgen Weiterfahrt Richtung Tallinn, Estlands Hauptstadt. Problemloser Grenzübertritt. Wir werden als VIP (kommt wohl vom ausserirdischen Aussehen) behandelt. Zöllnerinnen und Zöllner fahren TWIKE Runden. Übernachtung in Pärnu, einem estnischen Ferienort am Meer mit einmaligem Sonnenuntergang an den Dünen.
Weiterfahrt durch Wälder mit einem Abstecher zum estnischen Präsidenten, der uns in seiner Sommerresidenz empfängt. Zwei Stunden weilen wir in seinem Holzhaus, dürfen Sauna und Badesteg am Meer benützen. Präsident Meri fährt mit dem TWIKE nach kurzer Instruktion selbst Runden in seinem Park. Nach Stehbuffet, Herr und Frau Meri servieren persönlich Tee und Kaffee, abendliche Fahrt nach Tallinn, wo spät abends eine Pressekonferenz stattfindet. Wiederum Polizeieskorte mit Blaulicht. Probefahrten mit Journalisten. Fünf-Minuten-Sendung im Fernsehen; die Esten kennen das TWIKE, als wir am folgenden Tag durch Tallinns Altstadt kurven. Abends an eine Veranstaltung der Handelskammer Schweiz – Baltische Staaten, lobende Worte über das Engagement der Schweiz in Umweltfragen. Nachts „Miss TWIKE“ Wahl im Hotel Olümpia.
Frühmorgens Weiterfahrt nach Narva an der russischen Grenze. Freier Tag am Meer. Unterkunft in einem umgebauten Sanatorium! Wir haben es nötig!!
Auf bald
Ihr François Loeb
Vierte Woche: 20. – 26. Juli 1998
Route: Narva-Jõesuu (EE) – St. Petersburg (RUS) – Wyborg – Mikkeli (FIN) – Iisalmi – Oulu
Nach Tageserholung im umgebauten Sanatorium in Narva-Jõesuu – es regnete den ganzen Tag – früh morgens Abfahrt zur russischen Grenze. Ein technischer Defekt hält uns 30 Minuten auf und dann zwei Stunden Papierkram. Zwei Meter vorwärts fahren, ein Meter retour. Jeder Grenzbeamte ist ein König und gibt seine individuellen Befehle. Die zwei Stunden aber, so sagt man uns, sind schon fast rekordverdächtig. Es kann bis zu vier Stunden dauern. Auf der russischen Seite Empfang durch Anatoli, einem Mitarbeiter des Schweizerzentrums in St. Petersburg. Fahrt bis St. Petersburg auf guten Strassen. In St. Petersburg jedoch Schlaglöcher und Abgase in jeder Farbe. Die Auspuffrohre der Busse und Lastwagen in Twikefahrerhöhe! Nach Nachtruhe im erstklassigen Hotel und Wäschewaschen Stadtrundfahrt, Besuch der einmaligen Ermitage. Wiedersehen mit bekannten Impressionistenbildern wie bei alten Freunden. Russische Gastfreundschaft im Schweizerzentrum und dann als Höhepunkt Präsentation unserer Fahrzeuge auf dem Platz vor der Ermitage, einmalige Kulisse, Rieseninteresse der Medien, vier Fernsehteams, Radios und unzählige Zeitungen wollen Informationen bis zum kleinsten Detail. Ein Arzt will das TWIKE für eine Auszeichnung im Gesundheitsbereich vorschlagen. Zwei Vertreter der Moskauer Stadtverwaltung wollen das Fahrzeug in einem Park der russischen Hauptstadt präsentieren. Kontakte werden geschlossen, Probefahrten auf dem verkehrsfreien Platz durchgeführt, Kinder balgen sich um Plätze. Bei der stündigen Rückfahrt zum Hotel (St. Petersburg hat beinahe 5 Mio. Einwohner) Zurufe von Passanten, Autofahrer winken, hupen und blinken uns an, die neue geräusch- und abgasfreie Mobilität findet in der verkehrsgeplagten Stadt grosse Sympathie!
Am frühen Morgen Weiterfahrt nach Wyborg. Einstmals finnische Vorzeigestadt, heute heruntergekommenes russisches Zentrum in Grenznähe, das vor allem von finnischen Trinktouristen besucht wird. Nach Übernachtung problemloser Grenzübertritt in 30 Minuten (!). Die gesamte finnische Grenzstation besichtigt unsere Fahrzeuge und schiesst Erinnerungsphotos mit unserem Team! Fahrt durch herrliche finnische Seen- und Waldlandschaft, Ladehalte jetzt an Seen mit kühlendem Bad. Notwendigkeit, da Distanzen lang und wir oft bis ans Distanzlimit (100 km) fahren, was pro Tag bis zu vier klatschnassen Hemden führt. Beim Laden basteln wir Wäscheleinen. Übernachtung auf Campingplatz. Wir treffen alte Landsleute. Grillparty, es ist hell bis um 11 Uhr nachts. Übernachtung in Iisalmi, Karelienzentrum, Weiterfahrt im finnischen Dauerregen, Lastwagen veranstalten Fahrerduschen, im TWIKE sitzt man tief. Unterwegs Erdbeerschmaus. Ankunft in Oulu, der Hafenstadt am bottnischen Meerbusen, nur noch 6 Tage zum Nordkap. 3500 km hinter uns.
François Loeb
Fünfte Woche: 27. Juli – 2. August 1998
Route: Oulu (FIN) – Honningsvåg (N) – Nordkap
Nach einem Erholungstag in Oulu mit viel Schlaf und Einkauf von Verpflegung (erstmals luftgetrocknetes Ren, das wie Bündnerfleisch schmeckt) Weiterfahrt in den Norden Finnlands. Leichter Anstieg, wunderbare Flusslandschaft, kaum mehr Dörfer. Aufgeladen wird auf einem kleinen Bauernhof, der Bauer, im Hauptberuf Sozialhelfer, züchtet südafrikanische und australische Strausse, gibt uns bereitwillig jede Auskunft über die Straussenzucht und das Straussenverhalten. Eine echte Überraschung, hier im Norden solchen Tieren zu begegnen, deren 1’400 es in Finnland gibt. Am Abend eine weitere Überraschung, das Camping liegt auf einem Hügel, 3 km steiler Anstieg, die Energie geht fast allen Fahrzeugen aus. Der Fehler meiner Berechnung (wer rechnet auch mit einem Bergcamping hier, wo Hügel eher gezählt sind) kostet dem Team viel Kraft und Schweiss, peinlich besonders, dass mein Fahrzeug die Steigung problemlos schafft. Das Nachtessen schmeckt dafür besonders gut, die Hütten sind superkomfortabel (mit Sauna!) und ein Schutz vor den gefrässigen Mücken. Weiterfahrt durch hügliges Gebiet, die Muskeln werden gefordert! Überquerung der norwegischen Grenze, keine Kontrolle, da Norwegen als EWR-Mitglied zu den Schengener Staaten gehört.
Die Etappen werden länger. Kaum Dörfer oder Weiler zum Zwischenladen. Wir beschliessen, in einem eingezeichneten Hotel Strom zu beziehen, dieses aber ist stillgelegt, die hochbetagte Besitzerin öffnet erst nach Feldstechervorhangzwischenblicken zögerlich. Kein Strom, nur eine funktionierende Steckdose. Ein TWIKE wagt die letzten 20 km bis zur Übernachtungshütte mit fast leeren Batterien, vier fahren zu einem einsamen Haus, wo wir von der Frau des Hauses, sie ist Postbeamtin in der 40 km entfernten Stadt, besitzt einen Lastwagen, mit dem sie im Winter die Staatsstrasse offenhält, und passionierte Elchjägerin, gastfreundlichst empfangen, bestromt und bewirtet werden. Vor der Übernachtungshütte empfangen uns Millionen-Mückenschwärme, die ihr Nachtessen sichtlich geniessen, wie wir übrigens auch, der Lappländische Eintopf (Renfleisch, Käse, Schaffleisch) zubereitet von der Grossmutter des Besitzers schmeckte himmlisch. Um 5.30 bereits Abfahrt. Lange Etappe nach Honningsvåg auf der Nordkapinsel. Die erste Aufladung nach 90 km problemlos. Am nächsten Ort in einem Touristencamping klappt es dann nicht, der Besitzer verweigert den Strom, verweist uns des Platzes, da wir nicht bei ihm übernachten. Aufteilung der Fahrzeuge auf Privathäuser. Ich werde von einem Witwer, der mir seine ganze Lebensgeschichte erzählt, bewirtet. Weiterfahrt zur Fähre. Da mein Fahrradantrieb streikt, habe ich Probleme, die lange Strecke zu bewältigen. Verpasse die Fähre, erreiche Honningsvåg erst nach 23.00, es ist immer noch hell!
Am 1. August werden wir vom Bürgermeister der Nordkapgemeinde empfangen. Er zeigt uns nach Gipfeltrunk (wir haben ihn nach 31 Reisetagen wahrlich verdient) die Nordkapanlagen, welche dem Jungfraujoch ähneln. Nebel, keine Sicht, aber das gute Gefühl, das Ziel erreicht zu haben, lässt die Sonne im Inneren scheinen! Abends 1. Augustfeuer, das der Bürgermeister an einem Bergsee für uns vorbereitet hat. Es ist kalt, wir frieren, die langen Unterhosen, Windjacken und Pullover kommen zu Ehren. Raketen, so die Abmachung unter uns, dürfen erst nach Einbruch der Dunkelheit abgefeuert werden. Und da hier keine Nacht einbricht, haben wir auch keine Raketen mitgeführt…. Wohltuend, so ein ruhiger erster August mit Pouletschenkeln und Toast aus der Glut! Der Bürgermeister feiert und friert mit uns, um 22.30 Aufbruch zurück nach Honningsvåg zum Ruhetag, der individuell verbracht wird. Dann Aufbruch zur Rückfahrt, wir freuen uns auf die Fjorde, und auch die Sonne zeigt sich wieder!
Mit nördlichsten Grüssen Ihr François Loeb
Sechste Woche: 3. – 9. August 1998
Route: Nordkap (N) – Alta – Kvænangsfjellet – Oteren – Bardufoss – Ulvsvåg – Rognan – Korgen
Stellt Euch vor, überall wo ihr durchfährt oder anhält werdet ihr fotografiert, umlagert, Autos überholen langsam, werfen Blicke ins Fahrzeug, von oben herab natürlich, denn die TWIKE sind ja Zwerge in Höhe und Länge. Manchmal kamen wir uns bei der Fahrt den norwegischen Fjorden entlang als Elchersatz vor, denn obwohl überall Elchwarnschilder aufgestellt sind, bislang haben wir keine gesichtet, was wohl auch den meisten anderen Reisenden so ergangen sein mag. Klar verständlich, dass unsere schnittigen Fahrzeuge herzuhalten haben als Foto-, Film- und Videothema! Wir aber taten uns mit den TWIKE Panoramafenstern und unserer gemütlichen 40 Stundenkilometergeschwindigkeit an der herrlichen Landschaft, den unerwarteten Ausblicken, dem grünblau schimmernden Meer und den herrlichsten Sonnenuntergängen gütlich. Die teilweise wilde Berglandschaft strapaziert auch die Muskeln des gesamten Teams, im Schnitt durchnässe ich täglich zwei bis drei T-Shirts und abends trinken wir kamelengleich die verdunstete Flüssigkeit nach! Und wie erst das Essen mundet, wenn wir zu Tische sitzen. Köstlich!!
Die Strecke vom Nordkap nach Oslo ist fast so lang wir diejenige von Oslo nach Rom. Auf halbem Weg bin auch ich jetzt davon überzeugt. Übrigens habe ich vergessen zu berichten, dass wir pro Fahrzeug von Bern ans Nordkap für ca. 50 SFr. elektrische Energie gebraucht haben! Kaum zu glauben, aber wahr.
Unsere Tagesetappen führten uns vom Nordkap zuerst nach Alta, wo wir eines der schönsten Freilichtmuseen mit vorgeschichtlichen Felszeichnungen besuchten, über Oteren nach Badufoss zur wunderschönen Bucht von Narvik, nach Ulvsvåg, wo wir direkt am Meer in einem Camping übernachteten. Über Bergstrecken, vorbei an Gletschern und Schneefirnen, führte unser Weg nach Rognan, über den Polarkreis nach Mo i Rana und dann nach Korgen.
Morgen früh erwartet uns ein kräftiger Anstieg von Meereshöhe auf gegen 900 Meter, die Routenplanung mit den Ladestationen muss deshalb besonders gut vorbereitet werden, obwohl wir bei den Abfahrten ja wieder Energie zurückgewinnen. Wir freuen uns schon alle auf den nächsten Erholungstag, der aber erst in Trondheim eingeschaltet wird. Dort findet auch die nächste Medienorientierung statt. Wir hatten jetzt verdiente Medienpause, einzig die Lokalzeitungen waren auf der Durchfahrt zu orientieren. Das Interesse für Schweizer High-Tech ist aber auch hier im hohen Norden sehr gross und Bewunderung wird uns für unser Schweizer Fahrzeug des 21. Jahrhunderts überall reichlich gezollt.
Mit herzlichen Fjord-Grüssen Ihr François Loeb.
Siebte Woche: 10. – 16. August 1998
Route: Korgen (N) – Trones – Levanger – Trondheim – Hjerkinn – Lillehammer – Oslo
Plötzlich wird es wieder Nacht! Wir haben uns so an weisse Nächte gewöhnt, dass der erste Stern, den wir sehen, uns wie ein Wunder vorkommt! Unser Weg führt ja jetzt nach Süden. Immer der Europastrasse 6 nach. Es ist eine der schönsten Strassen, die ich je gefahren bin. Wilde Berglandschaften wechseln mit herrlichsten grün-blauen Fjorden, die Vegetation karg bis üppig, Wälder lösen hochalpine Stein-, Schnee- und Gletscherwelten ab. Die Strecke ist so vielfältig, dass die Tage nur so fliegen, wir geniessen die Aussichtspunkte und schwitzen wie Bären in den Steigungen. Von Meereshöhe auf 1’000 Meter und wieder zum Meer, wo uns der nächste Aufstieg erwartet. Saunas, die wir bei unseren Nachtunterkünften antreffen, werden schnöde verschmäht, das Wasser rinnt auch so von unseren Stirnen, obwohl die Temperatur in den Bergen 10 Grad kaum übersteigt und uns eisige Winde in den Ladepausen von der heimatlichen Hitzewelle – von der wir über Telefon hören – träumen lassen!
Elektrischen Strom erhalten wir meist ohne grosse Schwierigkeiten, obwohl es manchmal zu Energieknappheiten kommt, brauchen wir doch bei den Steigungen viel Strom. Die Abfahrten aber, die rassig vor sich gehen, laden dank Rekuperationsbremsen unsere Batterien teilweise wieder auf, unsere tägliche Distanz beträgt weiterhin über 200 km.
Nach 10 anstrengenden Etappen ohne Ruhetag geniessen wir die Rückkehr in die Zivilisation in Trondheim doppelt! Der Polarkreis ist wieder überschritten, der Verkehr nimmt zu, der Schnee rückt in die Ferne. In Trondheim – einem wunderbaren Ort mit herrlichem Dom – haben wir Kontakte zur Universität. Die Zeitungen widmen unserer Expedition und dem schweizerischen High Tech Produkt TWIKE ganze Seiten. Wir posieren in und um unser Fahrzeug für die Fotografen, die Bevölkerung kann probefahren und macht davon regen Gebrauch.
Gestärkt und ausgeruht nehmen wir den Weg nach Oslo unter die Räder und Pedale. Mit über 1’000 m Höhe überklimmen wir den nächsten Pass, wo wir in einem Militärlager der norwegischen Armee Strom tanken dürfen. Zum ersten Mal friere ich wie ein Schlosshund, in Shorts, die langen Hosen sind zuunterst im Gepäck, versuche ich, es dem Offizier gleichzutun, der in einem T-Shirt munter mit uns plaudert. Im Hotel auf der Passhöhe brennt ein Kaminfeuer, das mich aus meinem Tiefkühlzustand erlöst! Nachts träume ich vom warmen Murtensee und der Hitzewelle in der Heimat. In Oslo erwartet uns ein von der Schweizerischen Botschaft vorbereitetes Programm, wir treffen hier spätabends ein, die Grossstadtatmosphäre ist für uns ganz ungewohnt, wir müssen uns wieder an Lichtsignale, Kreisel und eilige Menschen gewöhnen, deren oberstes Ziel es ist – so scheint es jedenfalls aus TWIKE Sicht – keine Sekunde zu verlieren und das Gas- und Bremspedal entsprechend zu malträtieren.
Morgen geht es Richtung Schweden, wir freuen uns alle, unserem Ziel in grossen Schritten näherzukommen! Mit nun schon südlicheren Grüssen Ihr François Loeb.
Achte Woche: 17. – 23. August 1998
Route: Oslo (N) – Strömstad (S) – Göteborg – Halmstad – Kopenhagen (DK)
Die Zivilisation hat uns endgültig wieder eingefangen. Das bemerken wir beim Verlassen von Oslo, am Tag nach Demonstrations-Fahrten in strömendem, wolkenbruchartigem Regen. Stossstange an Stossstange stehen die Autos kilometerweit, um zum Stadtzentrum zu gelangen. Glücklicherweise fahren wir stadtauswärts, aber auch hier starker Verkehr auf der Autobahn, die wir benutzen. Wir fahren über 60 km/h und brauchen entsprechend Energie – vorbei die Zeiten, als wir mit einer Batterieladung in gemächlichem Tempo über 100 km schafften. Aber ein Verkehrshindernis wollen wir nicht sein (das TWIKE fährt ja 85 km/h Spitzengeschwindigkeit), und sind froh, rasch den Abgaswolken zu entrinnen. Unsere Rettung ist dann eine Velokarte, sodass wir auf Nebenwegen in stetigem Auf und Ab die schwedische Grenze erreichen. Ein schöneres Küstenstädtchen als das andere durchfahren wir, übernachten auf einem Campingplatz, um tags darauf den herrlichen schwedischen Strandstrassen zu folgen. In einem kleinen Hafen treffen wir eine Schweizer Segeljacht, deren Mannschaft kaum glauben will, dass wir mit unseren Miniautos in diesem eher regnerischen nordischen Sommer das Nordkap erreichen konnten. Als wir immer noch auf Velowegen twikend ins Landesinnere abbiegen, verfahren wir uns so perfekt, dass wir mit vierstündiger Verspätung in Göteborg eintreffen, wo uns der Schweizer Konsul trotz kalter, langer Wartezeit empfängt. Am nächsten Tag stellen wir unsere Fahrzeuge aus und fahren, angeführt von einem 1904 gebauten Elektroauto, eine Parade durch die Stadt. Anschliessend stellen wir unser Fahrzeug im Oekozentrum Göteborgs vor, machen unzählige Probefahrten und werden in historischen Gebäuden vom Bürgermeister empfangen. Am frühen Morgen Weiterfahrt nach Halmstad; es regnet in Strömen. In dieser kleinen Stadt verbringen wir eine unruhige Nacht, wird doch gegen ein Uhr morgens in die meisten unserer Fahrzeuge eingebrochen. Ein Teammitglied beobachtet den Einbruch, alarmiert die Polizei, ein anderes rennt im Pijama den jugendlichen, wohl nicht mehr nüchternen Dieben nach, zwei können durch die Polizei angehalten werden, die meisten unserer Rucksäcke können sichergestellt werden. Sobald der Tag hell genug ist, machen wir uns auf die Suche weiterer vermisster Gegenstände, finden im Park Visiten- und Telefonkarten, sowie einen Regenschirm aus unserem Besitz, leider aber nicht die zahlreichen Kabel und bespielten Videofilmaufnahmen unserer Reise. Wir hoffen immer noch, dass diese gefunden und uns nachgesandt werden. Auch dieses Erlebnis führt uns die Rückkehr in die „zivilisierte“ Welt plastisch vor Augen!
Müde verlassen wir das Städtchen, um uns auf der kurzen Fährenfahrt nach Dänemark durch den kalten Wind wieder ganz wecken zu lassen. Nach 50 km Fahrt erreichen wir Kopenhagen, stellen unsere Velo-Autos vor das Rathaus und werden von der dänischen Bevölkerung richtig umlagert. Am folgenden Tag nehmen wir an der Feier zum 85. Geburtstag der Skulptur der kleinen Meerjungfrau teil. Auch hier sorgt schweizerische High-Tech für Aufsehen. In kleinen Gruppen durchstreifen wir dann die dänische Metropole, besuchen die Sehenswürdigkeiten und begeistern uns am TIVOLI, das durch eine Blumenschau besonders herausgeputzt ist. Nun geht es nach Deutschland, und schon bald (in 16 Tagen) sollten wir in Bern eintreffen.
Mit sich in Riesenschritten nähernden Grüssen
Ihr François Loeb
Neunte Woche: 24. – 30. August 1998
Route: Kopenhagen (DK) – Fåborg – Glücksburg (D) – Hamburg – Bremen – Münster – Amsterdam (NL)
Nach der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen ging es tatsächlich aufs Meer. Nach einer herrlichen Fahrt durch Süd-Dänemark – wir besichtigten noch das eindrückliche Forschungszentrum für Windenergie – fuhren wir in Fåborg auf die Fähre, um zweieinhalb Stunden später Gelting im Norden Deutschlands zu erreichen. Die Überfahrt war ein tolles und kostengünstiges Erlebnis, wurden unsere TWIKE doch weil sie Pedale haben zum Velo-Tarif befördert!! So gemütlich auf einer Fähre das Meer zu überqueren ist schon wesentlich angenehmer als die Fahrt des Vortages über die erst vor wenigen Wochen eröffnete 20 km lange Brücke zwischen Süddänemark und Kopenhagen, wo wir mit starken böigen Seitenwinden zu kämpfen hatten, sodass ich beim TWIKE fahren an das Segeln bei Windstärke 6 auf dem Murtensee erinnert wurde.
In Glücksburg wurden wir bei strömendem Regen – wir sind scheinbar darauf abonniert – im Forschungszentrum für Alternativenergie empfangen und abends zu einer Strandgrill-Party eingeladen. Das deutsche Bier war ein Genuss, die tiefen Temperaturen um 14 Grad und die geöffneten Himmelsschleusen hingegen drückten auf die Stimmung. Übrigens fuhren wir nachmittags durch Wiesen und Waldwege, auch durch einen Wildpark. An einem Gehege rannten plötzlich, angezogen durch das lautlose Zirpen unserer Fahrzeuge, Dutzende von Wildschweinen mit einem riesigen Eber voran auf uns zu! Das war ein Bild. Wer mehr erschrocken war, wir oder die Wildsäue, bleibe dahingestellt!
Tags darauf die Fahrt nach Hamburg, zuerst über Flensburg nach Schleswig und dann hatte uns der Grossstadtverkehr sehr rasch eingefangen. Da die Lokalradios über unseren Standort laufend informierten, wurden wir mit Licht- und anderen Hupen ständig begrüsst, was uns zuerst verunsicherte, da wir ja davon nichts wussten. Wo wir uns in Hamburg aufhielten waren gleich Menschentrauben um unsere Fahrzeuge, wir wurden vom Umweltsenator der freien Hansestadt und dem schweizerischen Generalkonsul willkommen geheissen, hatten Fernsehtermine abends um acht und morgens um sieben. Das Glück wollte es, dass in Hamburg an diesem Abend das Alster Vergnügen mit über 300’000 Besuchern stattfand, sodass wir live erleben konnten, wie die Hamburger zu feiern wissen. Ein riesiges Feuerwerk zu Musik von Bizet’s Carmen krönte das Fest, endlich konnten wir mit fast vierwöchiger Verspätung den 1. August nachholen!!!
Am nächsten Morgen starteten wir direkt im Hamburger Messegelände, wo die Ausstellung „Du und Deine Umwelt“ eröffnet wurde. Durch Heidelandschaft ging es weiter nach Bremen und Münster, wo Fernsehen, Radio und Presse über das TWIKE als schweizerisches High-Tech-Produkt und als Fahrzeug der Zukunft berichteten. Auf dem Weg nach Amsterdam machte nur ein Strassenschild auf den Landeswechsel nach Holland aufmerksam, seit der Grenze von Russland nach Finnland wollte niemand mehr unsere Pässe sehen, kein Grenzhalt mehr – wir erleben Europa als Europa! In Amsterdam erwartet uns ein intensives Kontaktprogramm mit Universitäten und Medien, im Veloland Holland sorgt das TWIKE für einiges Aufsehen! Nach über 9’000 km Fahrt freuen wir uns alle, Bern wiederzusehen! Herzliche Grüsse
Ihr François Loeb
Zehnte Woche: 31. August – 6. September 1998
Route: Amsterdam (NL) – Brüssel (B) – Aachen (D) – Bonn – Mainz
Am Mittwoch den 9. September kommen wir um 19.30 auf dem Bundesplatz in Bern an! Das Ziel wird erreicht sein. Ein Ziel, das wir bei der Abfahrt selbst in Zweifel zogen. Ist es möglich mit einem Kleinstelektromuskelmobil eine Strecke von über 11’000 km zurückzulegen, 14 Länder zu bereisen und im hohen schwach besiedelten Norden genug Strom zu finden, waren die nagenden Fragen, die wir uns am 1. Juli bei Beginn der Fahrt stellten. Ja es ist möglich, können wir heute nach 98% der Strecke sagen. Nicht nur möglich, sondern ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis. Die lange Reise mit den eiförmigen TWIKE, die 2-4 mal täglichen Ladehalte haben es uns ermöglicht, die durchreisten Länder und deren Bewohner in einer Art kennenlernen zu dürfen, wie wir es noch nie erlebt haben, wohl kaum mehr erleben werden! Gastfreundschaft, Herzlichkeit haben wir kennengelernt, an der wir uns alle ein Beispiel nehmen können! Landschaften von einmaliger Schönheit zogen an unseren Panoramafenstern vorbei, Höhe- aber auch Tiefpunkte der CHALLENGE sind schon jetzt Gesprächsthemen bei Ladepausen in Deutschland.
Holland haben wir in dieser Woche entdeckt, die kleinen, schmucken Dörfer, die Grachten und Kanäle, die immer hilfsbereite Bevölkerung. Belgien haben wir durchfahren und auf der imposanten Grande Place in Brüssel unsere Fahrzeuge den Medien vorgestellt. In der Salle de Mariage im Stadthaus wurden wir vom Vizebürgermeister empfangen, um dann Richtung Bonn weiterzufahren. Bei der Ankunft in Aachen – wir trafen dort erst gegen Mitternacht ein –, nachdem wir um 20.00 Mühe hatten in einer belgischen Stadt Strom zu finden, ich fand in einem Wartsaal der belgischen Staatsbahnen zwei Stecker und lud nach eingeholter Bewilligung mein Fahrzeug auf dem Perron auf (!) – ereignete sich beim Linksabbiegen ein Unfall, der glücklicherweise ohne jede Verletzung glimplich ablief. Ein Taxi fuhr mit 70 km/h seitlich in eines unserer TWIKE. Der Schaden war so, dass wir das Fahrzeug in die Schweiz zurück schicken mussten. Und so rückten wir enger zusammen. Jeder Platz ist jetzt besetzt, wir haben noch fünf Fahrzeuge. In Bonn dann wurden wir von Vertretern des Bundestages begrüsst, die sich trotz Wahlkampf Zeit für uns nahmen. Auf dem Münsterplatz empfing uns die erste Bürgermeisterin Bonns, die Fahrzeuge waren im Nu von Menschentrauben umgeben!
Die Fahrt dem Rhein entlang war traumhaft, die Loreley beeindruckt aus TWIKE Sicht noch mehr als in der Bahn. In Mainz hatten wir Probleme, die Fahrzeuge nachts aufzuladen und sicher unterzubringen. Die Mainzer Feuerwehr (2 km ausserhalb des Zentrums) zeigte sich von der hilfreichsten Seite, konnten wir doch unsere TWIKE in der Feuerwehrgarage laden und sicher unterbringen und wurden erst noch per Feuerwehrbus direkt vors Hotel gefahren und morgens um 7 Uhr wieder abgeholt! Auf der Fahrt nach Karlsruhe, wo uns im Hotel Kübler (bekannt für Solarstromförderung) ein grosses, speziell für die CHALLENGE organisiertes Grillfest erwartet, erleben wir ein grosses TWIKE Fest, welches vom TWIKE Zentrum Lorsch organisiert ist. Am kommenden Morgen dann fahren wir nach Strassburg zum Europarat, dann geht die Fahrt über Freiburg im Breisgau nach Basel, wo wir am Dienstag zwischen 11 und 12 Uhr bei Weil am Rhein heimatliche Gefilde erreichen werden. Tags darauf dann über Solothurn und Biel nach Bern! Wir freuen uns, die Reise war traumhaft, aber äbe Bärn i ha di gärn gilt auch für das TWIKE CHALLENGE TEAM!
Auf baldiges Wiedersehen Ihr François Loeb.
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