Auto, Fahrrad oder Hubschrauber? Das TWIKE besitzt einen E-Motor, Steuerknüppel und Pedale. Mit knapp 27.000 Euro ist es teurer als ein Golf Variant. Ein Besuch bei den Machern.
Von Christian Frahm
Martin Möscheid dreht das virtuelle Fahrzeugmodell auf seinem Bildschirm in alle Richtungen. Er zoomt ran, lässt die Karosserie verschwinden, um sich den darunterliegenden Elektromotor genauer anschauen zu können. Zwei Klicks mit der Maus und schon kann man in das Innere des Antriebs schauen. Ein prüfender Blick, dann wird das Fahrzeug wieder in seine Kunststoffkarosserie gehüllt und die virtuelle Reise führt weiter ins Cockpit.
Möscheid ist Fahrzeugentwickler. Allerdings nicht bei VW, BMW oder Mercedes, sondern bei der Elektroautomanufaktur TWIKE. Zusammen mit neun Kollegen sitzt er in einem zweistöckigen Haus in der beschaulichen 2000-Seelen-Gemeinde Rosenthal in Hessen. Von hier aus verkauft er das Elektroauto, das noch bis vor wenigen Jahren eines der meistverkauften in ganz Europa war – das TWIKE 3.
„Lust auf eine Probefahrt?“, fragt Möscheid und zeigt auf das dreirädrige Gefährt, das eher die Form eines Schnellzuges hat. Der Entwickler zieht die Haube hoch, die sich wie beim Cockpit eines Jets langsam hebt und Zugang ins Wageninnere ermöglicht. Nachdem man sich in die Schalensitze niedergelassen hat, blickt man auf ein zentral angeordnetes Display, einen Steuerknüppel, der auch gut in einem Helikopter verbaut sein könnte, und einen weiteren Hebel, der an eine Handbremse erinnert. Was so gar nicht ins Bild passt, sind die Fahrradpedale, die sich im Fußraum von Fahrer und Beifahrer befinden. „Die Pedale dienen zur Unterstützung des Elektromotors, wodurch die Reichweite des TWIKEs um bis zu 15 Prozent verlängert werden kann“, erklärt Möscheid das ungewöhnliche Fahrzeugkonzept. Der 50-Jährige ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker und studierter Maschinenbauer.
Begonnen hat die Geschichte des Leichtelektromobils mit einem Studentenprojekt. Für die Weltausstellung 1986 in Vancouver entwickelten Studenten der EHT Zürich das Ur-TWIKE: ein zweisitziges Fahrrad mit Karosserie, damals noch ohne E-Motor und einem Gewicht von 50 Kilogramm. Per Pedalantrieb erreichte das TWIKE bis zu 50 Kilometer pro Stunde. Nach Jahren der Weiterentwicklung präsentierte die neu gegründete Schweizer TWIKE AG 1995 das serienreife TWIKE 3. Obwohl sich das Gefährt gut verkauft haben soll, ging das Unternehmen 2002 Konkurs. Möscheid, der zusammen mit seinem Bruder zu den ersten Käufern des TWIKEs gehörte und an der Entwicklung beteiligt war, vertrieb das E-Mobil seit 1998 als Importeur in Deutschland. Er kaufte das TWIKE 3 auf und baute es fortan im hessischen Rosenthal in Eigenregie. „So haben wir das TWIKE in die Neuzeit gerettet“, sagt Möscheid, löst die Handbremse, drückt den kleinen Knopf am Steuerknüppel zum Gasgeben und rollt geräuschlos aus der Halle.
Liegend über die Landstraße
Dank des Elektromotors beschleunigt das TWIKE zügig. Hat man sich erst mal an die ungewöhnliche Liegeposition gewöhnt, findet man schnell Gefallen daran, auf drei Rädern mit rund 60 km/h über die Landstraße zu fegen. Möscheid navigiert das Gefährt mit feinen Bewegungen am Steuerknüppel über die kurvenreiche Strecke. Drückt er den oberen Knopf, beschleunigt das TWIKE auf bis zu 85 km/h. Drückt er den unteren, bremst das E-Mobil langsam und gleichmäßig ab und gewinnt Energie für die Batterie zurück. Sogar ein Tempomat ist im TWIKE vorhanden. Wenn Möscheid eine Notbremsung einleiten muss, benutzt er dazu die Pedale – ganz so, wie bei einem Fahrrad mit Rücktrittbremse.
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Elektroauto mit Pedalen: Mensch-Maschine-Trittstelle
Bis zu 560 Kilometer Reichweite
In der Basisversion hat das 2,65 Meter lange TWIKE 3 einen Akku und eine Reichweite von bis zu 80 Kilometern. Maximal finden in dem E-Mobil bis zu sieben Akkus Platz, die dann für Strecken bis zu 560 Kilometern ausreichen. Die Ladedauer an der Haushaltssteckdose gibt Moescheid mit einer Minute pro Kilometer Reichweite an. Angetrieben wird das Twike von einem Asynchronmotor mit drei Kilowatt Dauer- und sieben Kilowatt Spitzenleistung. Das TWIKE fällt als „dreirädriges Kraftfahrzeug über 45 km/h“ in die Fahrzeugklasse L5E und kann daher mit einem normalen Pkw-Führerschein gefahren werden. Die Sicherheitsanforderungen sind jedoch andere als beim Auto, es muss beispielsweise keine Airbags haben.
Gefertigt werden die Fahrzeuge, von denen seit der Premiere 1995 weit mehr als 1000 Stück an Kunden geliefert wurden, in Handarbeit. Insgesamt zehn Mitarbeiter arbeiten in der Zentrale in Rosenthal, drei davon in der Werkstatt. „Nachdem die einzelnen Bauteile angeliefert sind, dauert die Montage vor Ort pro TWIKE noch einmal rund 70 Stunden“, sagt Möscheid. Da die Komponenten nicht in großer Zahl produziert werden, sind sie entsprechend teuer. Der Basispreis des Twike 3 beginnt daher bei 26.849 Euro. Wer mehr Reichweite, Lackierung, eine Soundanlage oder andere Extras ordern möchte, landet auch schon mal jenseits der 50.000 Euro. Möscheids Kunden leisten sich das Twike oft als Drittgefährt, um sich auf Kurzstrecken sportlich und umweltfreundlich fortzubewegen, beispielsweise um zur Arbeit zu fahren.
Nachfolgemodell schafft 190 km/h
Die fünfte Generation soll dann deutlich mehr Leistung haben als das bisherige Modell, eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 190 km/h und eine Reichweite von 550 Kilometern. Geplant ist zunächst eine Kleinserie von 500 Exemplaren. Das TWIKE 6 soll dann endgültig in größeren Stückzahlen produziert und somit auch interessanter für eine breitere Käuferschicht werden. Während die Mechaniker gerade ein knallgelbes TWIKE 3 montieren, sitzt Möscheid ein Stockwerk höher schon wieder an seinem Rechner vor seinem virtuellen Twike. „Nummer 147“, ruft Moescheid noch runter und freut sich über eine weitere Vorbestellung des TWIKE 5. Bei 200 Reservierungen beginnt die Produktion. „Wir haben also noch einiges zu tun.“
Quelle: Spiegel Online
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