Ein Tüftlerteam hat mit einem E-Mobil von Twike einen neuen Langstreckenrekord aufgestellt. Ohne einmal aufzuladen, fuhr man von Kloten umgerechnet dreimal durch den Gotthard nach Chiasso und zurück – eigentlich.
Das Ende kam früher als gedacht. Am vergangenen Sonntagmorgen um halb neun Uhr, ziemlich genau 43 Stunden nach dem Start, ging dem dreirädrigen Elektromobil der Marke Twike mitten in der Klotener Industrie der Strom aus. Mit nur einer Batterieladung schaffte das aufgemotzte Elektrogefährt bis dahin, eine Strecke von 1470 Kilometern zurückzulegen.
Das ist, wie wenn man dreimal von Kloten durch den Gotthard nach Chiasso und wieder zurück fahren würde. Für diesen Langstreckenrekord blieb das Team um Twike-Fan Thomas Bechtiger, einem E-Mobil-Anhänger der ersten Stunde, jedoch bewusst auf einem Rundkurs in der Klotener Industrie Steinacker.
Nach Kloten geholt hat die illustre Truppe aus Oerlikon unter anderen Daniel Buchs. Der ehemalige GLP-Politiker und Elektrounternehmer ist nämlich auch Vizepräsident und Geschäftsführer des Elektromobilclubs der Schweiz (ECS). Es seien auch andere Strecken angeschaut worden, die Panzerpiste, die offene Rennbahn in Oerlikon oder eine Sportanlage in der Stadt Zürich. Aber im Industriegebiet von Kloten bot sich die Runde mit der Steinackerstrasse bis zum Swiss – Kreisel und über die Bassersdorferstrasse zurück als optimale Strecke an.
Das ist die Twike-Rekordstrecke in Kloten
In der Flughafenstadt hatte man sich dann bei der Firma Gyso, einem Partner und Sponsor, einen Serviceplatz einrichten können. Es sei viel einfacher auf einer Rundstrecke zu fahren für ein solches Unterfangen, als tatsächlich quer durchs Land zu kurven. Schon nur die vielen Steigungen und die ganze Logistik würden einen Versuch quer durch die Schweiz viel aufwendiger und weniger Erfolg versprechend machen, gibt Konstrukteur Bechtiger zu verstehen.
Ohne Regen wäre mehr möglich gewesen
Angepeilt hatte die rund 20-köpfige Crew um den E-Mobil-Konstrukteur mit eigener Werkstatt samt Laden in Oerlikon sogar noch viel mehr: Man wollte eigentlich 2000 Kilometer machen innert drei Tagen. «Wegen der ungünstigen Witterung mit dem Regen kamen wir nicht ganz so weit, und wir mussten im Verkehr auch mehr bremsen als gedacht», erklärt Bechtiger.
Dennoch ist er glücklich, einen neuen Rekord eingeheimst zu haben. «Ich habe dieses Twike extra umgebaut dafür.» Das hat ihn vor allem viel Zeit gekostet. Den eigentlichen Wert des getunten Fahrzeugs beziffert er locker auf eine sechsstellige Summe. «Hunderttausend Franken würden da nicht mehr ausreichen», meint der leidenschaftliche Schrauber, «wenn man alles voll einberechnen würde und selbst bezahlen müsste.» Er konnte jedoch auf Sponsoren und ein gut eingespieltes Team und viele Freunde zählen.
Stärkere Achsen und Smart-Bereifung
Gewisse Teile – wie etwa die ausgemusterten Rollerbatterien als zusätzliche Energiequelle – seien ihm daher zur Verfügung gestellt worden. Sonst wäre so ein Rekord nicht möglich gewesen, räumt Bechtiger ein. Statt der serienmässigen Mofabereifung hatte er unter anderem stärkere Achsen verbaut und eine Bereifung eingesetzt, wie man sie vom Smart her kennt.
Die gewöhnliche Reichweite eines solchen Twikes betrage zwischen 50 und 500 Kilometer, erklärt der Fachmann, der sich auch im Elektromobilclub engagiert. Gemeinhin bietet er normale Serviceleistungen für diese E-Mobil-Marke in seinem Geschäft an. Doch mit einem Twike ist weit mehr möglich, weiss Bechtiger schon lange. Nebst dem technischen Tuning mit mehr Batterien anstelle des zweiten Fahrersitzes heisst das aber auch, dass der Fahrer einen entsprechend aktiven Beitrag dazu leisten muss und in die Pedalen tritt. Denn das dreirädrige Gefährt ist ein menschlich – elektrisches Hybridfahrzeug (HEHV). Die Schweizer Erfindung aus den 1980er-Jahren kann rein elektrisch oder im kombinierten Elektro – und Pedalbetrieb gefahren werden. Letzteres verlängert die Reichweite sodann enorm.
Theoretisch bis zu 150 km/h möglich
Mehrere Piloten haben auf der Rekordfahrt in Kloten Bechtigers Twike gelenkt, der Kopf des Teams selbst verzichtete darauf. Er habe in der Box jeweils die statistischen Daten live mitverfolgt, Berechnungen angestellt, Einsätze koordiniert und Schäden repariert. Zweimal musste er eingreifen: Einmal galt es, den Scheibenwischermotor subito zu ersetzen, ein anderes Mal musste ein Schutzblech vorn ausgetauscht werden. Ansonsten ging alles glatt.
«In zehn Jahren wird das, was wir hier erreichen, völlig normal sein.»
Thomas Bechtiger, E-Mobil-Tuner
Insgesamt stand beim Start des Versuchs eine Batterieleistung von rund 82 Kilowattstunden zur Verfügung. «Das ist mehr, als manch ein Tesla bietet», sagt der Twike-Tuner nicht ohne Stolz. «Das ist ein eigentlicher Rennwagen», erfährt man denn auch. In der für den Rekordversuch bereitgestellten Version würde das Twike Tempi von bis zu 150 Kilometern pro Stunde erreichen. «Aber ich habe die Geschwindigkeit auf 40 Kilometer pro Stunde limitiert.» Denn nicht Tempobolzen sei das Ziel gewesen, sondern eine grosse Reichweite. Bislang lag der Rekord für ein Twike bei 613 Kilometern. Jetzt liegt dieser Wert mehr als doppelt so hoch. «In zehn Jahren wird das, was wir hier erreichen, völlig normal sein», sagt Bechtiger.
Quelle: Zuonline
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